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300,- Euro Schmerzensgeld für unerwünschte Werbe-E-Mails?

Seit einiger Zeit begegnen uns immer mehr Meldungen mit reißerischen Überschriften wie:

„300 Euro Schmerzensgeld wegen unzulässiger E-Mail-Werbung“

„300€ Schmerzensgeld für SPAM“

„300 EUR DSGVO-Schadensersatz für unerlaubte Werbe-E-Mail“

Doch ist das wirklich richtig?

Das Amtsgericht Pfaffenhofen hat mit Urteil vom 09.09.2021 einem Rechtsanwalt 300,- Euro Schmerzensgeld zugesprochen, allerdings wegen verschiedener Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung. Der Anwalt hatte in seinem E-Mail-Postfach eine Werbe-E-Mail erhalten, ohne dem Erhalt solcher E-Mails vorher zugestimmt zu haben oder Bestandskunde bei dem versendenden Unternehmen zu sein. Daraufhin hatte er das Unternehmen um Mitteilung darüber gebeten, wann es seine Mailadresse gespeichert habe und woher es diese erhalten habe. Zudem verlangte er die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.

Das Amtsgericht sah bei diesem Sachverhalt gleich mehrere Verstöße gegen die DSGVO:

Zum einen habe das Unternehmen die E-Mail-Adresse des Anwalts ohne Rechtfertigung im Sinne des Art. 6 DSGVO verarbeitet. Der Anwalt hatte keine Einwilligung in die Verarbeitung seiner E-Mail-Adresse nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DSGVO erteilt.

Ferner habe das Unternehmen gegen seine Informationspflichten aus Art. 14 DSGVO verstoßen. Nach Art. 14 DSGVO habe der Verantwortliche in dem Fall, wenn die Erhebung der Daten nicht bei der betroffenen Person selbst erfolgt ist, eine Informationspflicht gegenüber dem Betroffenen, die sie nicht erfüllt habe. Das Unternehmen hätte den Anwalt also spätestens zum Zeitpunkt der ersten Kommunikation über die Herkunft der E-Mail-Adresse informieren müssen.

Schließlich hatte das Unternehmen auf die Auskunftsanfrage das Anwaltes i.S.d. Art. 15 DSGVO nach der Herkunft der persönlichen Daten außergerichtlich keine Auskunft erteilt, obwohl er hinreichend präzise danach gefragt hatte.

Für alle diese Verstöße zusammen hat das Amtsgericht dem Anwalt einen Schadensersatz i.H.v. 300,- € zugesprochen.

Daraus zu schlussfolgern, dass Betroffene bei Erhalt einer unerwünschten Werbe-E-Mail einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 300,- € haben, ist demnach nicht zutreffend.

Die Frage, ob es für die Zusendung von Spam-Mails überhaupt einen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO gibt ist seit Einführung der DSGVO sehr umstritten.

Bereits kurz nach Inkrafttreten der DSGVO (am 25. Mai 2018) hatte das Amtsgericht Diez mit Urteil vom 07.11.2018, Az.: 8 C 130/18, entschieden, dass als Schmerzensgeld auf Grundlage der DSGVO für den Erhalt von unerwünschten Werbemails ein Betrag in Höhe von 50,- € ausreichend sei. Laut dem Gericht sei die vom Kläger geforderte Schadensersatzzahlung in Höhe von 500,- € unbegründet, da der alleinige Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO nicht automatisch zum Schadensersatz führe. Ein sogenannter „Bagatellverstoß“ ohne ernsthafte Beeinträchtigung des Geschädigten reiche laut dem Gericht nicht für einen solchen Anspruch aus. Um die vom Kläger geforderte Summe zu rechtfertigen, hätte sich für ihn ein erheblicher Nachteil sowie ein objektiv erkennbarer immaterieller Schaden ergeben müssen. Dies sei laut dem Gericht nicht der Fall gewesen.

Andere Gerichte haben sich dagegen auf den Standpunkt gestellt, dass solche „Bagatellverstöße“ überhaupt keinen Schmerzensgeldanspruch zur Folge haben, da es dafür zu einer erheblichen Schädigung des Betroffenen kommen müsse.

So entschied das AG Hamburg-Bergedorf mit Urteil v. 07.12.2020, Az.: 410d C 197/20, in dem Fall eines Rechtsanwalts, der eine ungebetene Werbemail erhielt, dass zwar ein Unterlassungsanspruchs begründet sei, sich allerdings kein Anspruch auf Schadensersatz ergebe aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO, da der vorliegende Verstoß nicht als Rechtsverletzung mit einem daraus resultierenden immateriellem Schaden qualifiziert werden könne. Bloßer Ärger oder individuelle Unannehmlichkeiten genügen laut dem AG Hamburg-Bergedorf nicht, um einen Ausgleich in Form von Schadensersatzzahlung zu begründen.

Auch das AG Goslar hat mit Urteil vom 27.09.2019, Az.: 28 C 7/19, einen Schadensersatzanspruch abgelehnt und dies mit der fehlenden Erheblichkeit der Rechtsverletzung begründet. Durch die Zusendung von nur einer Werbe-E-Mail sei kein Schaden entstanden. Der Kläger legte daraufhin Verfassungsbeschwerde ein, da die vom Kläger verlangten 500,- € die Berufungsgrenze von 600,- Euro nicht überstiegen und das Amtsgericht die Berufung nicht zugelassen hatte. Auch die Anhörungsrüge gegen die Nichtzulassung der Berufung hatte das Amtsgericht zurückgewiesen. Er argumentierte, dass die Entscheidung sein Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) verletzt habe, weil das AG in letzter Instanz entgegen seiner Zuständigkeit entschieden und relevante Rechtsfragen nicht dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt habe.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 14.01.2021, Az.: 1 BvR 2853/19, klargestellt, dass ein erkennendes Gericht den Schmerzensgeldanspruch nicht wegen der fehlenden Erheblichkeit des Verstoßes ablehnen dürfe, ohne vorher die Rechtsfrage (ob Art. 82 DSGVO überhaupt so etwas wie eine Erheblichkeitsschwelle vorsieht) dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Diese Frage ist mittlerweile auch dem EuGH vorgelegt, allerdings noch nicht entschieden.

Das AG Pfaffenhofen hatte seine zusprechende Entscheidung indes damit begründet, dass es nicht auf eine „Erheblichkeitsschwelle“ ankomme, weil eine solche in der DSGVO nicht erkennbar sei und auch die Zielsetzung der DSGVO für einen weit gefächerten Schadensbegriff spreche. Einen Schaden sah das Gericht bereits in dem „unguten Gefühl“, dass personenbezogene Daten Unbefugten bekannt geworden seien, insbesondere wenn nicht ausgeschlossen sei, dass die Daten unbefugt weiterverwendet würden. Dies könnte zu einem „Gefühl des Beobachtetwerdens und der Hilflosigkeit“ führen, was die betroffenen Personen letztlich zu einem reinen Objekt der Datenverarbeitung degradiere. Dieser „Kontrollverlust“ sei eines der Regelbeispiele nach EG Nr. 75 DSGVO. Zusätzlich kämen etwa Ängste, Stress, Komfort- und Zeiteinbußen in Betracht.

Da zahlreiche Gerichte in dem Kontrollverlust über die eigenen Daten keinen ersatzfähigen Schaden sehen, bleibt es bis zur klarstellenden EuGH-Entscheidung weiter spannend.

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© Februar 2022, Annika Wurzer, Philipp Selbach, Stefan Müller-Römer

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