+49 (0) 221 - 290270-40
info@datenschutzrechtsanwaelte.de

Können Verstöße gegen die DSGVO wettbewerbsrechtlich abgemahnt werden?

Diese Frage wird angesichts der seit dem 25.05.2018 geltenden Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) aktuell intensiv diskutiert.

Das LG Würzburg hat sich unlängst mit Beschluss vom 13.09.2018 (Az. 11 O 1741/18 UWG) auf den Standpunkt gestellt, dass es sich bei Verstößen gegen die den Vorschriften der DSGVO um Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht gemäß § 4 Nr. 11 UWG bzw. jetzt § 3 a UWG handelt, die auch von Mitbewerbern abgemahnt werden können. Allerdings  hat das Gericht diese Feststellung getroffen, ohne sich näher mit den Regeln der DSGVO oder den aktuell vorherrschenden Diskussionen auseinander zu setzen. Letztendlich ignoriert das Gericht auch eine mögliche abschließende Regelung des Art. 80 DSGVO und stützt seine Feststellungen auf die Urteile des OLG Hamburg (Urteil v. 27.06.2013, Az: 3 U 26/12) und des OLG Köln (Urteil v. 11.03.2016, Az: 6 U 121/15), die in dem seinerzeit maßgeblichen § 13 TMG eine Marktverhaltensregelung und nicht nur eine Ordnungsvorschrift sahen, die nach § 4 Nr. 11 UWG abmahnfähig war.

Deswegen kann dieser Beschluss leider nur wenig zur Klärung der umstrittenen Frage der wettbewerbsrechtlichen Abmahnfähigkeit von DSGVO-Verstößen beitragen.

Mit der Einführung der DSGVO am 25.05.2018 hat sich die Rechtslage nämlich geändert, sodass die Bezugnahme auf die OLG-Entscheidungen, die den Unterlassungsanspruch auf § 13 TMG als anwendbare Marktverhaltensregelung gestützt haben, nicht mehr der aktuellen Rechtslage entspricht.

Die DSGVO als europäische Verordnung ist dem TMG als nationale Verordnung in der Normenhierarchie übergeordnet und verdrängt somit nationale Gesetze. Sie ist unmittelbar anwendbar, sodass § 13 TMG seit dem 25.05.2018 von Art. 13 DSGVO verdrängt wird. Die Informationspflichten von Webseitenbetreibern, z.B. das Erfordernis einer Datenschutzerklärung auf der Homepage, richten sich nunmehr nach Art. 13 DSGVO.

Außerdem wird die Auffassung vertreten, dass die DSGVO abschließende Regelungen enthält, und folglich das UWG als nationales Gesetz überhaupt keine Anwendung finden kann.

Einer der führenden deutschen Wettbewerbsrechtler, Professor Dr. Helmut Köhler, schreibt zu der Frage der Anwendbarkeit des UWG in seinem Standardkommentar zum UWG (Köhler/Bornkamm/Feddersen, 36. Aufl. 2018, § 3a Rn. 1.40a und 1.74b):

„Die ab dem 22.5.2018 geltende Datenschutz-Grundverordnung, VO (EU) 2016/679) enthält in den Art. 77 – 84 DSGVO (Kap. VIII Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen) eine grds. abschließende Regelung (Ausnahme. Art. 80 II DSGVO). Verstöße gegen die DS-GVO können daher nicht nach § 3 a verfolgt werden. (§ 3 a UWG, Rn. 1.40 a)

Selbst wenn man das UWG für anwendbar hält, ist für einen wettbewerbsrechtlichen Anspruch Voraussetzung, dass die DSGVO zumindest auch die Interessen von Wettbewerbern als Marktteilnehmer schützen soll. Das ist äußerst umstritten.

Denn die DSGVO benennt oder definiert kein konkretes Schutzgut. Nach Art 1 Abs. 2 DSGVO schützt sie „die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten“. Auch ein Blick in die Erwägungsgründe ist nicht weiter erhellend. Dort findet man nur die Aussage, dass die Grundsätze und Vorschriften „zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten“ gewährleisten sollen, dass die „Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere ihr Recht auf Schutz personenbezogener Daten ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres Aufenthaltsorts gewahrt bleiben“ (Erwägungsgrund 2 Satz 1 zur DSGVO).

Weite Teile von Rechtsprechung und Literatur gehen derzeit davon aus, dass sich die Frage, ob ein Verstoß gegen die DSGVO auch eine Wettbewerbsverstoß darstellt, daran bemisst, welchen Zweck die konkrete datenschutzrechtliche Vorschrift verfolgt und ob die betreffende Vorschrift im Einzelfall die Voraussetzungen einer Marktverhaltensregelung erfüllt.

Das bloße Interesse der Mitbewerber an der Einhaltung von z.B. Datenschutzvorschriften durch alle auf dem betreffenden Markt tätigen Unternehmen genügt für sich alleine genommen noch nicht (BGH, GRUR 2000, 1076; BGH, GRUR 2010, 654; OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.05.2014, Az. I-15 69/14; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. [2014), § 4 UWG, Rn. 11.35b, 11.35c). Die verletzte Norm muss also im Hinblick auf Mitbewerber auch eine sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion haben. Die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungenmuss also auch Zweck und nicht bloß Folge der verletzten Norm  sein.

Die Frage der wettbewerbsrechtlichen Abmahnfähigkeit von DSGVO-Verstößen bliebt also weiter spannend und wird auch in Zukunft noch die Gerichte beschäftigen.

© Philipp Selbach, Stefan Müller-Römer, Oktober 2018, Alle Rechte vorbehalten

Zurück


© 2022 Müller-Römer Rechtsanwälte