+49 (0) 221 - 290270-40
info@datenschutzrechtsanwaelte.de

Schmerzensgeld bei DSGVO-Verstoß

Mit seinem Beschluss vom 01.06.2022 (6 Ta 49/22) entschied das LAG Schleswig-Holstein, dass bis zu 2.000,00 EUR Schmerzensgeld angemessen sind, für den Fall, dass ein Arbeitgeber Videoaufnahmen einer Arbeitnehmerin für ein Werbevideo ohne wirksame datenschutzrechtliche Zustimmung verwendet, auch wenn die Arbeitnehmerin bei dem Videodreh scheinbar freiwillig mitwirkte. Das LAG Schleswig-Holstein stellte fest, dass der Schaden bereits in der Verletzung der DSGVO lag, die Darlegung eines weiteren Schadens hielt das Gericht nicht für erforderlich. Die Entscheidung des Gerichts macht deutlich, dass dem Schadensersatz im Datenschutzrecht neben seiner Ausgleichsfunktion auch ein spezial- bzw. generalpräventiver Charakter zu Grunde liegt.

Die Parteien stritten vorliegend über Ansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis. Die Antragstellerin forderte eine Schadenersatzzahlung in Höhe von 6.000,00 EUR wegen einer Verletzung der DSGVO. Zu dieser Verletzung war es während des gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gekommen. Die Antragstellerin war als Arbeitnehmerin im Pflegedienst der Antragsgegnerin angestellt. Die Antragsgegnerin ließ ein Werbevideo für ihren Pflegedienst drehen. An diesem Videodreh nahm die Antragstellerin teil. Ihre Zustimmung zum Videodreh erklärte sie mündlich. Im Video ist in Form einer Ganzkörperaufnahme zu sehen, wie die Antragstellerin in ein Auto einsteigt. Das Auto trägt die Beschriftung „Wir suchen Pflegekräfte“, in einem Audio-Overlay ist zu hören „Steige jetzt mit ein!“. Die Antragstellerin ist außerdem in Portraitgröße im Auto sitzend zu erkennen. Die Antragsgegnerin veröffentlichte das Video online über die Plattform „YouTube“. Über den Zweck der Datenverarbeitung und ihr Widerrufsrecht in Textform hatte die Antragsgegnerin die Antragstellerin vorab nicht informiert.

Die Antragstellerin forderte, das streitgegenständliche Video nicht weiter zu nutzen und verlangte zusätzlich die Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 6.000,00 EUR. Die Antragsgegnerin nahm daraufhin das Video noch vor Durchführung der Güteverhandlung aus dem Netz. Das Arbeitsgericht sah den Antrag der Antragstellerin im Rahmen eines PKH-Verfahrens auf Zahlung von Schmerzensgeld maximal bis zu einer Höhe von 2.000,00 EUR als begründet an. Mit dieser Entscheidung des Arbeitsgerichts war die Antragstellerin nicht zufrieden. Daraufhin legte das Arbeitsgericht die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.

Das LAG bestätigte das erstinstanzliche Arbeitsgericht und stellte fest, dass für den der Klageforderung zugrundeliegenden Verstoß die Obergrenze des begehrten Schmerzensgelds bei 2.000,00 EUR lag.

Vorliegend war das Recht der Antragstellerin am eigenen Bild nicht schwerwiegend beeinträchtigt, denn die Antragstellerin wusste von den Aufnahmen, stimmte diesen zu und wirkte freiwillig in den Videoaufnahmen mit. Allein die fehlende Schriftform der Zustimmung sowie die fehlende vorherige Unterrichtung über die Verarbeitungszwecke, führten vorliegend nicht zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Klägerin. Ein Eingriff in die Intimsphäre der Klägerin liegt durch die Aufnahmen ebenfalls nicht vor.

Durch den Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO ist der Antragstellerin ein immaterieller Schaden entstanden. Ihr Anspruch auf Schadensersatz ergibt sich aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Dieser erfordert über die Verletzung der DSGVO hinaus nicht zusätzlich, dass die verletzte Person einen von ihr erlittenen Schaden darlegt. Bereits die DSGVO-Verletzung selbst ist ausreichend für einen Schadensersatzanspruch. Hierfür spricht auch EG 146 Satz 3 DSGVO, wonach der Begriff des Schadens weit ausgelegt werden soll.

Das LAG stellte fest, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht nur eine Ausgleichsfunktion sondern auch einen spezial- bzw. generalpräventiven Charakter hat, welcher bei der Bemessung der Schadensersatzhöhe zu berücksichtigen ist. Dem Schadensersatz bei Datenschutzverstößen soll eine abschreckende Wirkung zukommen. Nur so können die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung effektiv umgesetzt und Verstöße sanktioniert werden. 

© Juni 2022, Laura Kunz, Stefan Müller-Römer

Zurück


© 2022 Müller-Römer Rechtsanwälte